Von der FZ 750 zur FZR 1000


FAHRWERK

Deltabox hat wenig von der Filigranität eines GSX-R-Fachwerks- Stabilität durch Fläche ist das Prinzip, und so ziehen sich auf jeder Seite zwei handtellerbreite Vierkantprofile aus gewalztem Alublech geradewegs zum Schwingenlager, verstärkt durch eine Sicke. Breit und ausladend da, wo der Rahmen den Vierzylinder umschließt, schlank und schmal, wo die Fahrerbeine den direkten Kontakt am Tank suchen. Wespentaille heißt das woanders.

Entscheidend ist jedoch eine andere Form. Solange die Menschheit mit ihrer Energie haushalten muss, hat sie immer den direkten Weg gesucht. Und solange Ingenieure Verbindungen herstellen, streben sie dasselbe Prinzip an: Die stärkste Verbindung ist die direkte, die direkte Verbindung die Gerade. Im Rennfahrwerksbau durchgeprobt, hat Yamaha diese gerade Linie von Steuerkopf zum Schwingendrehpunkt in Stahl für die Großserie übernommen: Von der RD 500 über die FJ 1100 bis zur FZ. Jetzt haben sie die Großserien-Umsetzung in den Rennwerkstoff Aluminium vorexerziert.

Diese Umsetzung ist Yamahas Antwort auf die besonderen Eigenschaften von Aluminium. Andere Eigenschaften erfordern andere Konstruktionen, und unter diesen Eigenschaften ist das dreimal geringere E-Modul - gleich Verwindungssteifigkeit - die bedeutsamste, der Preis für das dreimal so niedrige Gewicht. Zwei Wege gibt es, die Verwindungsschwäche von Aluminium auszugleichen: Dicke oder Fläche, zur Not durch Zusatzverstrebungen, doch die verwirft Projektleiter Yoshikaru Nakayama als konstruktive Krücke. Sein Weg: Geringe Materialstärke zum Preis größtmöglicher Fläche.

Ein Preis, den er gern bezahlt, denn die Fläche bietet ihm drei weitere Vorteile. Der erste: Weil die Profile aus dünnem Material bestehen, können sie gewalzt werden. Das vereinfacht die Fertigung und hält so die Kosten trotz des teureren Aluminiums im Rahmen.
Nummer zwei: Dadurch, dass die Profilträger gewalzt werden, lassen sich seitliche Sicken in die Profile einbringen. Das bringt Steifigkeit, wie jeder weiß, der einmal Hauben oder Türen seines Autos näher von innen betrachtet hat.
Und drittens: Durch die große Flache ist eine direkte, nahtlose Verbindung zwischen den Alu-Trägern und den gegossenen Aufnahmen für Gabel und Schwinge möglich, Zusatzverstrebungen (gleich Material- und Fertigungsaufwand) entfallen.

Das hört sich einfach und logisch an, ist es fraglos auch - doch erst im Nachhinein. Denn die direkte Verbindung zwischen zwei Punkten Iäßt sich erst dann ziehen, wenn man beide Punkte kennt. Doch als Yamaha und Kenny Roberts auf dem Weg zu Kennys zweitem WM Titel nach neuen Wegen suchen, kennen sie erst einen Punkt: Ihre YZR könnte erstens leichter sein und zweitens weniger wackeln.

Das ist 1979. Roberts und TZ 500 heißt die Kombination, die es zu schlagen gilt. Im Vorjahr gelang es niemandem, da fuhr das Team zum WM-Titel in der Königsklasse.
Doch die Konkurrenz schläft nicht, vor allem in Form der Suzukis droht Gefahr. Weiterentwicklung ist angesagt, und das heißt mehr Power aus dem Zweitakt-Four, und weniger Gewicht für den Stahlrohrrahmen. Leichter zu konstruieren - unmöglich. Dünnere Wandstarke der Oberzuge - das ist die Losung. Eine nicht besonders vertrauen erweckende jedoch, denn Roberts fuhrt häufig Klage über das Eigenleben der Konstruktion unter ihm. Als man ihm eines Tages eine Versuchsträger-Maschine an die Box rollt, ist dies die Zukunft: Die Telegabel hat Standrohre aus Kohlefaser, der Rahmen besteht aus Alu-Rohren, Schwarze Farbe verdeckt die Neuerung.
Die Versuchsfahrten verlaufen viel versprechend, doch in den Rennen vertraut Roberts weiterhin lieber auf den bekannten Stahlrahmen. Zu WM-Titel Nummer zwei reicht es dann übrigens doch noch.

Immerhin münden die Versuche mit dem Alufahrwerk in die GP-Waffe für 1980: Der Doppelschleifenrahmen der neuen YZR 500 besteht aus Vierkant-Alu-Rohr mit 1,5 Millimetern Wandstärke. Die Bemühungen zahlen ach aus: zum einen in einem sensationell niedrigen Rahmengewicht, zum anderen in WM-Titel Nummer drei. So richtig wohl wird es Roberts jedoch das ganze Jahr nicht auf seinem Untersatz immer wieder sind Risse und sogar Brüche im Rahmen festzustellen.

1981 bringt zwar keinen neuerlichen WM-Titel, dafür wichtige Erkenntnisse. Vor allem die, muss sich die geringere Festigkeit des Aluminiums auch durch größere Rohrquerschnitte ausgleichen Iäßt.
Das ist der Knackpunkt, an dem sich die Yamaha-Leute von dem überlieferten Bild eines Motorradrahmens abwenden und noch einmal bei Null anfangen. Weil die Motorenbauer zur selben Zeit das gleiche tun, stießen die Erkenntnisse beider Teams in der VZI 500 des Jahres 1982 zusammen: Der V 4-Motor steckt als tragendes Element in einem Aiurahmen, dessen Oberzuge einen rechteckigen Querschnitt haben, während die Unterzüge quadratisch sind.
Mehr noch: Die Oberzüge peilen geradewegs die Schwingenaufnahme an. Der Steuerkopf wird am oberen und unteren Ende gehalten von zwei in Oberzugmitte zusammenlaufenden Streben, und wenn man sich die Lücke zwischen diesen Streben als geschlossen vorstellt und das Sammelsurium an Hilfsstreben weglässt, ist man schon nahe um Deltabox-Prinzip. Wenn nicht, dann hat man fast das Chassis, in dem der Vor-FZ-Versuchsträger 011 im selben Jahr rollt.

1983 ist das Jahr des Durchbruchs. Zum ersten Großen Preis des Jahres schieben Lawson und Taira ihre neuen Maschinen an den Start. Die neuen Rahmen kommen schon so gut wie ohne Hilfsträger aus. Deren Masse scheint in die Profilträger gewandert, die voluminöser sind. 1984 ist das Deltabox-Prinzip völlig ausgebildet, 1985 heißt es auch offiziell so. Von den Verstrebungen der Vorjahre sind nur filigrane Motorhalterungen geblieben; der Rahmen ist stabil genug, den Rest alleine zu besorgen.

Er ist auch stabil genug, es mit einem Viertaktmotor aufzunehmen. Kenny Roberts himself und Tadaiko Taira, der japanische Halbliter-Meister, stellen sich mit der brandneuen Genesis nach TT-F-l-Reglement der Konkurrenz beim Acht-Stunden-Rennen von Suzuka. Die beiden starten von der Pole, fliegen förmlich vorneweg, Keiner macht ihnen die Führung streitig. Doch als nach siebeneinhalb Stunden der Defektteufel mit einer Lächerlichkeit zuschlägt, ist das Team gleich ganz aus dem Rennen. Dennoch: Die Feuertaufe ist bestanden, und auf der ganzen Welt gibt es für diesen Zweck keinen besseren Platz als Suzuka.

Damit sind die Würfel gefallen: Deltabox wird das Fahrwerksprinzip der Yamaha-Zukunft Um dies zu demonstrieren, vom Suzuka-Image zu profitieren, aber auch, um erste Produktionserfahrungen zu sammeln, geht im Jahr darauf im Yamaha-Werk bei lwata das erste Deltabox- Alufahrwerk in Serie.
Das Schärfste, was die Modellpalette zu bieten hat, kommt in den Genuss der Renntechnik: Die TZR 250, 147 Kilo schwere Licht- und Blinker-Replica des Production Racers TZ 250.
Die ist die letzte, bei der der Rahmen noch per Hand zusammengefügt und -geschweißt wird, bereits bei der TZR werden die Gussteile für Schwingenaufnahme und Lenkkopf maschinell geschweißt. Im Jahr darauf genießt das Konzept bereits soviel Vertrauen, dass es für die um mehr als 50 Kilo schwerere Viertakttechnik reif scheint.

Leichtbau kann jedoch nicht das einzige Argument für die Entscheidung gewesen sein. Von den 229 Kilogramm, die die FZR voll getankt auf die Waage bringt, beansprucht der nackte Rahmen bereits 12,2 Kilogramm für sich, addiert man die geschraubten Unterzuge und das angeschraubte Alu-Rahmenheck hinzu, ist man schon bei 16 Kilo.

 

Sensationell ist das nicht, denn der Rahmen des direkten Konkurrenten GSX-R 1100 bietet inklusive Heck und Unterzügen nur 13 Kilo. Aber: Der ist komplett aus Aluminium und Überdies einteilig, so dass das gute Stück bei jedem Rahmenschaden gleich komplett hinüber ist. Orientiert man sich an der Stahlrahmen-Konkurrenz, findet man die Kawasaki GPZ 1000 RX mit 20-Kilo-Rahmen - das hört sich schon anders an. Und vergleicht man den FZR-Rahmen mit dem 20-Kilo-Chassis der FZ, weiß man die acht Pfund gut angelegt: Immerhin gilt es, mit 135 entfesselten PS ein Drittel Mehrleistung auf die Straße zu bringen. Sicherheitshalber beträgt das Plus an Verwindungssteifigkeit 50 Prozent.

Mit dem der FZ 750 hat das FZR-Chassis darum so gut wie nichts mehr gemein; Stahl- und Aluchassis eint im Prinzip nur noch der Lenkkopfwinkel. Der ist bei der 750er bereits ultrasteil gewählt, da lässt sich nichts mehr in Richtung Handlichkeit trimmen. Im Gegenteil: Mit 100 statt den gehabten 94 Millimetern Nachlauf versuchen die Fahrwerksbauer sogar, den kürzeren Radstand wieder auszugleichen:  Zahlte die FZ mit 1485 mm zu den länger bauenden 750ern, so tritt die FZR unter den Tausendern als eine von der kürzeren Sorte an: 1470 Millimeter. Nur die GSX-R 1100 bleibt einen Zentimeter darunter, der Rest überschreitet locker die eineinhalb Meter.

Das ist Genesis: Mit der FZR 1000 hat Yamaha dem Fahrwerksbau der Sport- Generation sein Gesicht gegeben. Der Deltabox-Rahmen zeichnet sich durch flächige Oberzugprofile aus Formteilen aus, kombiniert mit einer gegossenen Schwingenaufnahme. Angeschraubt sind das Rahmenheck und die Unterzüge, die den Motor tragen. Wie ein Kunstwerk aus Edelmetall steht die FZR 1000 da - logisch in ihren Linien, rein in ihrer Funktion, glänzend in ihren Details. Erst mit der FZR hat das FZ-Konzept zu seinem Durchbruch gefunden.  Wer das Bild auf sich wirken Iäßt, weiß, warum.

Ein klarer Schritt in Richtung der 1370 mm der Rennmaschine, und von der hat die FZR auch die Raddurchmesser: Nicht mehr 16 Zoll, sondern 17 Zoll vorne heißt das Gebot der Stunde, was einem Machtwort für die nächsten zehn Jahre gleichkommt, in denen nicht nur alle weiteren FZRs diese Größe teilen sollen, sondern auch fast alle anderen Sportmotorräder. Da zeugt es ja wohl nur von Konsequenz, wenn die Dreispeichenrader mit hohlgegossenen Speichen und Naben so aussehen, als seien sie nur mal eben vom Werksteam ausgeborgt. Leider können sie in der Breite nicht ganz mithalten: Vorne walzen sich 120/70 auf stattlichen 3.5 Zoll, hinten 160/70 auf immerhin 4.5 Zoll. Pirelli, Erstausstatter für den deutschen Markt (Dunlop für Frankreich) hat eigens für die neue Supersportler-Generation neue Radialreifen, den MP 7 S, gebacken. Nicht zuletzt wohl wegen des extremen Verschleißes, den die erste Reifengeneration auf der FZ zeigte, kommen relativ hart gebaute Reifen zum Einsatz und gibt's auch Gummi satt in der Breite: Der doppellagige Kevlar-Gürtelreifen mit zweilagigem Unterbau aus im 90-Grad-Winkel zueinander angeordneten Karkassen schummelt durch die extrem breite Felge einen halben Zentimeter in der Breite hinzu; 160 Millimeter am Hinterrad ist schlicht und einfach Superbike-Dimension: Der 86er-Superbike-Meister, Michael Galinski, fahrt auf seiner auf 880 ccm vergrößerten FZ im Bakker-Chassis auch nichts Breiteres. Trotz stabilen Aufbaus und Breitenwachstums wiegt ein Reifen etwa ein Kilo weniger als sein Diagonal-Pendant.

Neu definiert sind auch die Federelemente. Waren die Standrohre der FZ noch bescheiden schwarz, so blinken sie bei der FZR in gebürstetem Alu. Aber sie sehen nicht nur hochwertiger aus. Solider sind sie geworden, 41 Millimeter statt 39; die Vorderachse ist ein solides Stück Stahl mit 15 Millimetern Durchmesser. Auf einer Seite ist die Achse im Standrohr geklemmt, auf der anderen geschraubt; die Standrohre sitzen im Griff einer doppelten Klemmung in der zweiten Gabelbrücke.

Anti Dive ist inzwischen out. Die braucht keine Gimmicks, w e das bei einer gut abgestimmten Gabel eben sein soll. Die Druckstufe ist so gewählt, da0 die 130 Millimeter Federweg nicht schon beim Anbremsen draufgehen. Einstellschrauben an den oberen Enden der Standrohre lassen einen gewissen Abstimmungs-Spielraum & Federvorspannung ist stufenlos einstellbar.

Das gilt ebenso für das Zentralfederbein. Trotz des kürzeren Radstandes darf es auch bei der FZR hinter dem Motor aufrecht stehen und muss sich nicht unter dem Motor verstecken. 50 mm Spielraum stehen hier zur Verfügung, was nicht die Welt ist, aber genügt, weil die Schwinge auf eine progressive Monocross-Umlenkung einwirkt. Die Hebelei ist an den Drehpunkten nadelgelagert, die Schwinge bewegt sich wie der Lenkkopf in Kegelrollen. Die Schwinge ist übrigens ein alter Bekannter aus der FZ, während die Hebelverhältnisse der Umlenkung überarbeitet sind.

Hatte die FZ noch innenbelüftete Scheiben, so glänzt die Tausender mit Brutalo-Stoppern im Vorderrad. Die weisen zwar nicht mehr die Innenkühlung auf, wie sie sich allein im Automobilsport, jedoch nicht bei den Motorrädern durchsetzen kann. Dafür sind die Scheiben gelocht, was - anders als bei der FZ - auch feinfühliges Ansprechen im strömenden Regen garantieren soll. Aber damit nicht genug des Unterschiedes: Mit satten 320 Millimetern Durchmesser ist auf Anhieb die ultimative Größe für eine Bremsscheibe erreicht, in die Zange genommen wird sie nun von zwei Vierkolben-Festsätteln. Die bremsen nicht nur infernalisch ab, sondern machen auch optisch eine Menge her mit ihrem Gold-Appeal, passend zu den gestanzten Aluminium-Rotoren der Scheibe. Alles in allem eine Anlage, die nicht nur gewaltig, sondern auch gewaltig nach Racing dreinschaut. Was man nicht hört. Denn die Scheiben sind mit Tellerfedern auf den Verbindungsbolzen zu den Adaptern vorgespannt, so dass sie sich zwar beim Bremsen zentrieren können, jedoch nicht so scheppern wie die mit seitlichem Spiel gelagerten Exemplare aus dem Rennbetrieb. Tatsächlich liegen da auch ihre Wurzeln: Die TZR 250 bekam diese Bremse als erste. Doch bei der reichte eine Scheibe mit Vierkolben-Sattel aus, diese hier ist wohl aufs Doppelte gefasst. Und da hat sie gar nicht mal so unrecht.   

MOTOR 

Denn die FZR überbietet sogar die TT-Formel-1 Werksrennmaschine. Mit 133 PS jagten Taira und Roberts beim YZF-Debut in Suzuka vorweg, hier schlummern zwei Pferde mehr im Deltabox-Chassis: 135 PS bei 10.000/min. Racing Power mit Straßenzulassung ist das Prinzip, und das führt nur über den Weg des Hubraums.

Den vergrößerten Yamahas Motorenmänner mit 56 mm anstatt 51,6 Millimetern Hub an der Kurbelwelle, die Bohrung erweiterten sie von 68 auf 75 mm. Doch das geht nicht ohne einen Griff in die konstruktive Trickkiste ab. Der Platz für die gewachsenen Zylinderbohrungen muss ja irgendwo gewonnen werden, sei es durch die Motorbreite, was aber ein neues Kurbelgehäuse nach sich zöge, oder durch einen verringerten Abstand zwischen den Bohrungen.

Yamaha  entscheidet sich  für letzteren Weg. Dazu werden zwei Zylinderbohrungen jeweils soweit zusammengerückt, dass nicht einmal ein kleiner Zwischenraum zwischen den beiden Laufbuchsen bleibt, das Kühlwasser hier also gar nicht zirkulieren kann. Ein ziemlich klares Indiz dafür, dass weiteres Aufbohren nicht drin ist. Nur mit nikasilbeschichteten Laufbuchsen ließe sich noch etwas herausholen, da deren Wandstärke geringe ausfallen kann.
Doch fürs erste ist das Ziel erreicht: Einen Tausender-Motor zu bauen, der nicht breiter ist  als der einer Hubraumklasse darunter. Und die FZ 750 mit 415 mm  Kurbelwellenlange bewegt sich ohnehin auf  V4-Motoren-Niveau, selbst die Kurbelwelle eines V2-Ducati-Trieblings fallt nicht deutlich schmaler aus. Schmalhans ist auch Küchenmeister beim Anrichten des Kurbeltriebs: D
urch Verwendung zugfesteren Chrommolybdan-Stahls anstelle einfachen Stahles (S 55c) können die Pleuel schlanker ausfallen. Sie messen nur noch neun Millimeter in der Dicke, wahrend es die der '86er FZ auf 10,82 mm bringen.

Radikaler der Abbau bei den Kolben, deren Hemd auf Slipperformat schrumpft. Die beiden Ringe sind nun jeweils um 0,2 Millimeter dünner ausgeführt, der Ölabstreifring bleibt mit zwei Millimetern unverändert. Die Kur genügt, der Kurbelwelle durch die Hubraumvergrößerung keine Mehrlast aufzubürden: Eine Kombination von Pleuel und Kolben mit Ringen und 50 mm langem Kolbenbolzen wiegt mit 596 Gramm fast gleichviel wie die der FZ mit 602 Gramm. Möglich macht dies die geringere thermische Belastung, erzielt durch zwei Doppeldüsen zwischen den Zylindern jeder Seite, aus denen ab 2 bar Innendruck frisches Öl auf die Kolbenunterseite gespritzt wird.
Die Zirkulation der 3,6 Liter Motoröl besorgt eine doppelflügel-Ölpumpe. Ein Flügel läßt das Öl in der Maschine kreisen, der andere drückt es durch den Ölkühler vor dem Motor. Der Hauptkühlkreislauf arbeitet mit 2,3 Litern Flüssigkeit, die von der Wasserpumpe um- und durch den um 2,5  Zentimeter breiteren Kühler gewälzt werden.
Nur noch die Ventilzahl verbindet FZR- und FZ-Zylinderkopf. Das Mehr an Kolbenflache genügt nicht, um ausreichend große Ventile unterzubringen. Erst durch noch weiteres Anstellen der ohnehin bereits steil angeordneten fünf Ventile passen 23,5 mm große Einlaß- und 25 mm große Auslassventile.

Zum Vergleich: Bei der FZ messen die Einlaßventile 21 und die  Auslaßventile 23 mm. In einem Zug werden die Ventilschäfte auf fünf Millimeter verjüngt. Die beiden rollenkettengetriebenen Nockenwellen weisen sanftere Profile auf und wirken auch hier über Tassenstößel mit innenliegenden Shims auf die 20 Ventile, die auf der Einlassseite 22,5 mm, auf der Auslassseite 15 mm öffnen. Wie bei der FZ ist der Zylinderkopf horizontal zweigeteilt. In der unteren Etage sind Brennraumunterkante, Zündkerzen, Ventile und Kanale untergebracht, das obere Stockwerk ist reserviert für Nockenwellen und Tassenstößel. Die sind notgedrungen auf der Auslassseite sechsfach, der Einlassseite hingegen vierfach gleitgelagert. Wie das? Ganz einfach:
Bei zwei Nocken ergibt sich eine dazwischenliegende Lagerfläche, bei dreien zwei. Nimmt man Tankverkleidung und Luftfilterkasten ab, fällt der Blick in die Abgründe einer  Batterie von vier Mikuni-Vergasern. Die sind Gleichdruck-Vergaser wie bei der FZ und arbeiten ebenfalls mit den leichten Kunstharz-Schiebern, messen im Durchmesser drei Millimeter mehr. Dank Fallstrom-Anordnung sehen sie sogar noch imposanter aus. Man sieht förmlich, wie der Motor auf direktem Wege das Gemisch in sich hineinschlurfen kann, schon im Stand hat das was Dynamisches.

Der Luftfilterkasten mit seinen Papierelementen ist übrigens derselbe wie bei der FZ: Der war mit 7,2 Litern so reichlich ausgefallen, dass das Volumen für den Tausender-Motor reicht. Ganz abgesehen davon, dass mehr Volumen auch nur schwerlich unterzubringen wäre. Mit einer Liter- wie Nennleistung von 135 PS ist es der FZR sogar gelungen, die FZ knapp zu toppen. Deren 100 PS hatten bereits eine Literleistung von 133,4 PS ergeben.

Dennoch reicht auch hier, bei einer Verdichtung von 11,2, Normalbenzin, zumal die nun digital gesteuerte Transistorzündung die Kennlinie wesentlich flexibler an die Klopfgrenze anpassen kann.
In der deutschen Version ist das ohnehin kein Thema. Da bleibt zwar die Verdichtung, aber die Literleistung sinkt durch die Querschnittsverengung des deutschen Vergaserstutzens mit fast nur halb so großem Durchlass auf 100 PS bei 9500/min. Dem Drehmoment tut das nicht so schrecklich weh: Das liegt mit 86,3 nicht arg unter Auto-Niveau,  sondern hat seine Spitze auch fast schon in VW-Käfer-Regionen, bei 4500/min. 

Ein wenig mehr leidet da die Leistungskurve, die bei 6000/min nachhaltig einsackt. Aber man muss sich ja nicht alles gefallen lassen.

Das Getriebe hingegen schon, aber dafür bekam es auch eine Fitness-Kur verpasst. Die Zahl der Gangrad-Paarungen schrumpfte von sechs auf fünf, dafür wuchs deren Materialstärke.
Der geradeverzahnte Primärtrieb erfolgt in einem Verhältnis von 1,659, die Sekundärübersetzung betragt 2,875. Die Gesamtübersetzung der Gangstufen lautet 12,26, 8,48,6,59,5,60,4,95, womit die FZR länger ausgelegt ist als die FZ. Vor allem der erste Gang kann in Renn-Manier auf 102 km/h gezogen werden. Damit darüber die Kupplung nicht verbrennt, erhält sie eine neunte Scheibe.

Equipment

In Orange wäre die Demonstration noch  Überzeugender ausgefallen. Die roten Speedblocks  auf den Flanken sagen zwar unmißverständlich  "Yamaha" wie "Ru, denn RD und TZR  haben sie eingeführt. Aber das Orangerot der  GP-Werksmaschinen würde die Illusion perfekt  machen: YZR, YZF oder FZR?  Die Rennstrecke ist der FZR ins Doppelscheinwerfergesicht  geschrieben, ein doppelter  Oberarm von einem Schalldämpfer wartet  darauf, sich den anderen zu zeigen - von hinten.  Die FZ mag zum Zeitpunkt ihrer Vorstellung  moderner gewesen sein, unverwechselbarer. Aber erst mit der Tausender gewinnt  das FZ-Konzept sein Gesicht.  

Die komplette FZR im  Detail: Wie schon bei  der FZ 750, Iäßt sich  auch hier die direkte  Ventilbetätigung,  die Yamaha immer  gepflegt hat, erkennen.  In den Abgründen  des Motorgehäuses  schlummert  die Kurbelwelle  mit zentralem  Nockenwellenantrieb  per Kette. Der  Kühlhaushalt ist  durch einen zusätzlichen  Ölkühler im  Verkleidungsbug  verstärkt. Die Telegabel  verfügt uber  Standrohre mit 4 1  mm Durchmesser,  das hintere Federbein  wirkt über eine  Umlenkung auf ein  stehend angeordnetes  Zentralfederbein  mit stufenlos einstellbarer  Federvorspannung.  Rechts das  Bonneville-Erlebnis  mit der offenen FZR:  Bei knapp unter  1 11.OOO/min schlägt  die Tachonadel bis  auf 150 mph aus -  das entspricht reichlichen 240 Stundenkilometern.

Der Stoff, aus dem die Supersportler sind: Zahlreiche kleine Details fügen sich zu einem harmonischen Ganzen zusammen: Doppelscheinwerfer und Frischzuführungen des F.A. I. in der Verkleidungsfront, fein perforierte Abstandshalter an den Alu-Fußrasten, aerodynamisch halbkugelförmig ausgeprägte Rückspiegel, funktionales Cockpit hinter der Aluminium-Gabelbrücke. Trotz ihrer Luftaustritts- und Einlassöffnungen wirkt die Vollverkleidung flächig, ihr charakteristisches Design mit den Yamaha-Speedblocks harmoniert sogar mit dem Stilleben einer Marktplatzszene.        

Sauber um Gas hängt er wie der kleinere Zwanzigventiler, von dem er auch das Vibrationsband geerbt hat - und das Turbinenartige. Nur die Schaufelräder sind hier spürbar größer. So liegt es allein an der Übersetzung, dass die reinen Elastizitätswerte von 60 bis 140 km/h im direkten Gang zwar deutlich besser sind als die der FZ, aber bis zu zwei Sekunden unter denen der Konkurrenz: Ob GSX-R 1100, GPX 1000 RX oder K 100 - sie können es besser. Da hilft nur eines: Gang runter, oder Pfropfen raus.
Aber auch mit Pfropfen drin setzt die FZR einen neuen Maßstab: So behände lässt sich keine andere Tausender durch die Kurven treiben. Vorgemacht haben bisher so etwas bestenfalls abgespeckte Tuningbikes, aber von denen hat kaum eines das Finish und den Standard, und selbst die heißesten erreichen nicht die Hitze der FZR 1000 mit freien Atemwegen.
Die Kombination von Kraft und Leichtigkeit eröffnet eine ganz andere Dimension des Motorradfahrens. Bis jetzt ging Handlichkeit in dieser Form immer einher mit hohen Drehzahlen, einem aggressiven Motor. Aber mit der FZR schwingst Du entspannt und trotzdem schnell. Leicht geduckt sitzt Du hinter der Verkleidungsscheibe. Nur um Ende einer wirklich langen Geraden kreischt der Vierzylinder unter Dir fünfstellig im direkten Gang, ansonsten hast du im Ohr nur ein kräftiges Säuseln, notorisch untermalt vom Pfeifen.
Der Griff zur Bremse: Die beißt, wenn auch erst nach kräftigerem Ziehen. Ab einem bestimmten Punkt ist sie eine Zweifingerbremse erster Güte. Hell sirren die Beläge auf den 320-Millimeter-Scheiben, die Maschine drückt es spürbar, aber nicht zu hart in die Federn. Runterschalten, kein Problem, das Getriebe hat Butterqualitäten, nur manchmal sitzt der Gang nicht sofort richtig. Peil' Deine Linie genau, denn dieses Motorrad ist handlicher als Du denkst. Schon auf leichten Schenkeldruck und Gewichtsverlagerung leitet es die Schräglage ein, und es geht weit, weit runter, bis zumindest die Fußrastenausleger, wenn nicht gar der Auspufftopf warnen.
Zugleich ist dieses Motorrad schwerer als Du fühlst, und das geht nur solange gut, wie Du dem Respekt zollst. Was auch immer Du im Kurvenverlauf anstellst, das Gewicht macht die Reaktionen deutlich: Wenn Du nach der Linie suchst, kippelt die FZR leicht, das ist fast ein bisschen zuviel der Handlichkeit. Wenn Nachbremsen angesagt ist, sollte zum Kurvenrand Platz sein, denn mit echten 125 mm Lauffläche auf den Serien-Pirellis ist Aufstellen vorprogrammiert, wenn auch gutmütig und gut kontrollierbar. Das gilt auch, wenn Du zum Kurvenausgang hin das Gas aufziehst.
Der Grip ist gut, selbst auf nasser Straße bleibt mit Vorsicht alles gut im Griff. Weil das dicke Drehmoment erlaubt, stets einen Gang höher als gewohnt zu fahren, werden die Reifen auch beim Herausbeschleunigen entlastet. Wenn Du allerdings in schnellen Kurven hart am Gas bleibst, konnte es mulmig werden; dann rührt sich die Maschine von der Hinterhand so stark auf, dass sie auch vorne nicht mehr ruhig bleibt. Mit der Ruhe ist es ohnehin je mehr vorbei, desto weiter Deine Sträßchen sich von der  Rennstreckenbeschaffenheit entfernen.
Selbst mit weichster Federvorspannung ist der Monoshock knüppelhart, laßt das Heck springen. Weil die Stoße ins Fahrwerk geleitet werden, wird die FZR unruhig, geradezu hektisch, so dass Du Deine Erwartung freiwillig in Richtung Straßenverkehrsordnung herunterschraubst. Abhilfe zu schaffen, ist kein großes Problem, aber das hängt von den Erwartungen ab. Mit Dunlop, Bridgestone oder Metzeler, die mit runderer oder weicherer Karkasse aufwarten, ist schon einiges gewonnen, zumindest was Kippeligkeit oder Aufrühren angeht. Dann passt es zumindest auf glattem Asphalt wieder.

Wenn es aber auf der Hausstrecke oder Prüfsteinen wie der Nordschleife hart hergehen soll, dann muss oft genug nicht nur ein neues Federbein mit einer weicheren Dämpfungs-Druckstufe her, sondern jedwedes Spiel im Fahrwerk, von der vorderen Radachse bis hin zur Schwingenlagerung Überprüft und exakt eingestellt werden. Hi-Speed gibt es eben nicht zum Spartarif an Aufwand, hier verlangt die FZR die Sorgfalt einer Rennmaschine. Und davon ist sie nicht zu weit weg. Das schmälert ihren Alltagswert nicht über Gebühr.
Gut, ein Tourer ist was anderes, aber Du kannst lässig durchs Land brummeln, wenn Du ab und zu Arme und Beine ausschüttelst und Deinem Co ein eigenes Motorrad spendierst. Der Platz hinten taugt bis zur Eisdiele, aber nicht für die Entfernung zwischen den Tankstellen - die dürfen selbst bei Vollgas fast 200 Kilometer auseinander liegen. Und wenn wirklich Sightseeing angesagt ist, sind die 37-er Mikunis auch mit sieben Litern zufrieden.  Die FZ ist ein Highlight, aber erst die FZR hat den wirklichen Sprung gebracht, die Baureihe an die Spitze der Sportbewegung katapultiert. 
Deltabox hat den Rahmenbau wenn nicht revolutioniert, so doch einen gewaltigen Satz  nach vorn tun lassen. Der Zwanzigventiler ist auch in seiner großen Ausführung ein Qualm-  wie Freudenspender ohne Fehl und Tadel, der  nicht an seiner eigenen High-Tech zerbricht. FZ war das Wort der Stunde, 1985. FZR hat zwei Jahre später daraus ein Zauberwort gemacht. 

1986 ist sie einer der IFMA-Stars: Die FZR 1000 schlägt ein, deutlich mehr noch als die FZ 750. die ihre Qualitäten inzwischen unter Beweis gestellt hat und insofern den Weg für die Tausender bereitet hat.
Von der 750 über die 750 R bis hin zur 1000 ist die Familienähnlichkeit dank der charakteristischen Speedblocks frappierend, hinzu gesellt sich eine blau/weiße Variante.
Auch in den Zulassungszahlen ist die FZR 1000 ein Senkrechtstarter: Mit 1712 verkauften Maschinen wird sie zum Bestseller aus dem Stand. 
1988 kommt eine - unpopuläre - schwarz/rote Version hinzu, die bekannten Varianten bleiben.
Modellpflege beschränkt sich auf Produktionskorrekturen in Form ein Millimeter breiterer Pleuelaugen, passgenauerer Kolbenbolzen und größerer 01- Spritzdüsen im Kurbelgehäuse.
1601 FZR wiederholen den '88er-Erfolg. 

Quelle: Töns

Letzte Änderung:
2009-08-12 15:40
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